Neu im Careleaver-Zentrum Thüringen

Bianca Wirth arbeitet seit Januar 2025 als sozialpädagogische Mitarbeiterin im Careleaver-Zentrum Thüringen. Gemeinsam mit dem Team des CLZT berät sie Careleaver*innen und Fachkräfte rund um den Prozess des Leaving Care, unterstützt individuell und fördert Beteiligung und Engagement von Careleaver*innen.
Die Jugendgerichtshilfe im Kyffhäuserkreis, in Trägerschaft des Jugendberufshilfe Thüringen e.V., appelliert an gemeinnützige Einrichtungen, jungen Menschen die Möglichkeit zur Ableistung ihrer Strafstunden und damit eine Chance zur Wiedergutmachung zu geben.
Silke Sierold, Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe und von KOMPAKT – Beratungsstelle für Jüngere im Kyffhäuserkreis, im Interview mit der Thüringer Allgemeinen (Artikel vom 20.11.2024)
Begleitung von straffällig oder delinquent gewordenen jungen Menschen bei der Auflagenerfüllung, wie Arbeitsweisungen incl. Ordnungswidrigkeitsverfahren, Betreuungsweisungen, Verkehrsunterricht, Strafzahlung, Entschuldigung, Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich, mit dem Ziel der sozialen Integration durch (dauerhafte) Straffreiheit
Jugendgerichtshilfe im Kyffhäuserkreis„Danke für Ihre Hilfe, ohne Sie hätte ich das nicht geschafft.“
Auf diese oder ähnliche Aussagen antworte ich immer: „Danke, dass du dich darauf einlassen konntest, sonst hättest du das nämlich auch nicht geschafft.“
Vor dem Hintergrund vielfältiger Problemlagen ist es für Jugendliche und junge Erwachsene oft nicht einfach, bestehende Rahmenbedingungen zu durchbrechen und mögliche Zukunftsperspektiven für sich zu entwickeln. Einige dieser Herausforderungen sind beispielsweise soziale Isolation, berufliche oder private Misserfolge, Süchte, Schulden, Obdachlosigkeit, seelische Belastungen oder auch bürokratische Hürden. Und dennoch ist es möglich, wenn sich eine persönliche Veränderungsbereitschaft entwickelt und Unterstützung angenommen werden kann.
Dies zeigte sich auch in diesem Jahr im Projekt KOMPAKT – Beratungsstelle für Jüngere im Kyffhäuserkreis. Im Jahr 2024 wurden bisher mehr als 40 junge Menschen bis 30 Jahre bei vielfältigen Problemlagen unterstützt. Eine von ihnen ist Susanne (Name geändert), deren Begleitung ich als positives Praxisbeispiel kurz vorstellen möchte:
Susanne trat im Juli 2023 über das Jobcenter im Alter von 26 Jahren in das Projekt KOMPAKT ein. Auch sie kämpfte mit multiplen Schwierigkeiten in ihrem Leben. Trotz guter schulischer Abschlussvoraussetzungen (Realschulabschluss) bestand ihre bisherige berufliche Laufbahn aus zwei abgebrochenen Ausbildungen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme gab sie an, dass leichte Drogenprobleme bestünden, sie diese aber im Griff hätte – sie sprach von Cannabis.
Darüber hinaus gab es keine finanziellen Bezüge, da nicht alle benötigten Unterlagen für die Weiterbewilligung des Bürgergeldantrags eingereicht worden waren.Eine Ablehnung aufgrund einer drohenden Fristversäumnis stand im Raum. Zusätzlich wurden psychische Belastungen wie Ängste, Schlafstörungen und seelische „ups and downs“ beschrieben.
Nachdem in der beginnenden Zusammenarbeit der finanzielle Bezug gesichert werden konnte, wurden weitere Absprachen und Termine nicht mehr kontinuierlich eingehalten. Dies änderte sich erst nach intensiven Gesprächen, in denen Susanne Vertrauen fassen konnte. Erst an diesem Punkt konnte sie sich eingestehen, dass die anfänglich benannten „leichten Drogenprobleme“ umfangreicher waren – ein Substanzmittelmissbrauch verschiedener Drogen lag vor.
Dieser führte zu einem verschobenen Tag- und Nachtrhythmus, zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen, zur schleichenden Vernachlässigung aller anderen Lebensbereiche und letztlich zu einer gefühlten Perspektivlosigkeit und Leere.
Viele sehr ehrliche und offene Gespräche über die bestehende Drogensucht, eine intensive Auseinandersetzung mit dieser sowie ein aufkeimender Veränderungswunsch führten schließlich zu der Einsicht, dass eine Verhaltensänderung notwendig ist.
Im September 2024 absolvierte Susanne im ÖHK Mühlhausen eine dreiwöchige Entgiftung. Kein einfacher Schritt für sie. Deshalb standen wir auch während dieser Zeit im regelmäßigen telefonischen Austausch. Es war nicht ihre erste Entgiftung, und sie meinte später zu mir, dass es zwar die schwerste, aber gleichzeitig die beste gewesen sei.
Die therapeutischen Gespräche wühlten viel in ihr auf, was nach wie vor unverarbeitet ist. Gleichzeitig brachten sie sie zu der Erkenntnis, weitere Schritte folgen lassen zu wollen, um ihr Leben für sich zurückzugewinnen (wie sie es formulierte). Und hier liegt der Schwerpunkt auf „wollen“ – die bestmögliche Motivation für positive Veränderung.
Susannes nächster Schritt war die Antragsstellung auf eine Langzeittherapie in einem anderen Bundesland, welche bewilligt wurde. Mitte Oktober trat sie diese erfolgreich an – mit den Abschiedsworten: „Danke für Ihre Hilfe. Ohne Sie hätte ich das nicht geschafft.“ Woraufhin ich erwiderte: „Danke, dass du dich darauf einlassen konntest, sonst hättest du das nämlich auch nicht geschafft.“
Ihr Weg ist noch nicht zu Ende, aber der Anfang ist gemacht.
November 2024
KOMPAKT unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 30. Lebensjahr auf dem Weg der sozialen und beruflichen Integration. Ziel ist es, arbeitslose junge Menschen mit multiplen Integrationshemmnissen zu erreichen, die von bestehenden Unterstützungs- und Bildungsangeboten nicht profitieren, Lücken im Angebotsspektrum zu schließen sowie eine maßgeschneiderte Abfolge differenzierter und individueller Hilfen zur sozialen und beruflichen Teilhabe zu entwickeln.
KOMPAKTFernab jeder Trägerkonkurrenzen standen v.a. die Kooperation mit Schulen, die Elternarbeit sowie die Schnittstellenproblematik mit anderen, an den Schulen wirkender Instrumente im Zentrum der lebhaften Diskussion. Als überaus gewinnbringend zeigte sich der Dialog zwischen Fachkräften, die schon geraume Zeit den Aufgabenbereich verantworten und neuen Kolleg*innen, die erst seit einigen Monaten als Einstiegsbegleiter*innen wirken. Unseren Respekt verdient v.a. die Entschlossenheit, mit der sich die Kolleg*innen für die Belange der ihnen anvertrauten Schüler*innen einsetzen. Wir brauchen – angesichts der begrenzten schulischen Ressourcen – genau dieses Engagement. Langfristig und verlässlich. Eine Neuauflage des Formats ist für April 2025 geplant. Zwischenzeitlich streben wir die Umsetzung des Angebotes auch in den anderen Agenturbezirken Thüringens an.
Den Übergang Schule-Beruf über 2.000 benachteiligter junger Menschen fördern landesweit Berufseinstiegsbegleiter*innen, indem sie den Erwerb eines Schulabschlusses ebenso unterstützen wie den individuellen Prozess der beruflichen Orientierung und die Anbahnung eines Ausbildungsverhältnisses bzw. zielführender Anschlussmaßnahmen. Das Instrument kann einen großen Beitrag zur Lösung der von Jugendberufshilfe Thüringen e.V. angemahnten Probleme am Übergang Schule-Beruf leisten: die Zahl junger Menschen ohne Schulabschluss ist im Bundesvergleich überdurchschnittlich, die Chancen Betroffener am Ausbildungsmarkt – selbst nach Erwerb des Hauptschulabschlusses – signifikant schlechter als mit höheren Schulabschlüssen.
In einem imaginären Segelboot, dass sowohl stürmische als auch ruhige Gewässer durchquert, nahmen uns die Teilnehmer*innen mit auf ihre jeweils ganz persönliche Reise, berichteten von Erfolgsgeschichten, aber auch herausfordernden Erlebnissen in der Jugendhilfe, ihren Wünschen und manchmal auch von der Angst zu Scheitern. Ehrlich, offen und von Neugier geprägt: So lässt sich die Workshopatmosphäre treffend beschreiben. Aber auch erkenntnisreich und motivierend, ließen sich doch durch kleine Veränderungen, große, positive Effekte erzielen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn ein Hilfeplangespräch nicht im Amt, sondern im Park stattfinden würde? Also an einem Ort, an dem die jungen Menschen sich wohlfühlen. Cola oder Kaffee? Beides nicht soooo gesund, warum also nicht auch mal jugendgerechte Getränke auf den Tisch stellen? Und wäre es vorstellbar, dass die Menschen, um deren Leben, ja deren Zukunft es geht, gar mitbestimmen dürften, wer am Hilfeplangespräch beteiligt wird? Oder, dass man dafür Sorge trägt, dass der Mitarbeiter des Jugendamtes, der am Ende entscheidet was gut für mich ist, kein Fremder ist? Durch einen Anruf vielleicht…hin und wieder. Viele Fragen, scheinbar leicht zu beantworten, im Arbeitsalltag des Jugendamtes und der stationären Einrichtungen aber manchmal herausfordernd.
Beim geselligen BBQ zum Abschluss waren sich alle einig: Die Ergebnisse sind beeindruckend. Tolle Beiträge entstanden, die nicht nur persönliche Erlebnisse abbildeten, sondern auch für mitunter emotionale Aha-Effekte auf Seiten der Fachkräfte sorgten und Veränderungsbedarfe in der Jugendhilfe aufzeigten. „Nice to meet you“ war somit nicht nur eine Plattform für Austausch, sondern auch ein wichtiger Schritt in Richtung einer Jugendhilfe, deren Maß die Bedürfnisse und Ziele der jungen Menschen sind. Das Format zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Stimmen derjenigen zu hören, die direkt betroffen sind. Und so blicken wir voller Spannung auf die nächsten Schritte und die Umsetzung der gesammelten Ideen. Denn auch darin waren sich am Ende alle einig: Diese Erkenntnisse müssen aktiv und nachhaltig in die tägliche Arbeit einfließen. Bleiben auch Sie interessiert. Im Sinne einer chancengerechten, partizipativen Gestaltung von Hilfen für junge Menschen.
Das Projekt richtet sich an Careleaver sowie von Entkopplung betroffene oder bedrohte junge Menschen aus dem Kyffhäuserkreis (14 – 26 Jahre). Es wird im Rahmen des Programms „JUGEND STÄRKEN: Brücken in die Eigenständigkeit“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und durch die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und im Auftrag des Landkreises Kyffhäuserkreis umgesetzt.
CLiKAm 24.09.2024 informierte Jugendberufshilfe Thüringen e.V. im Bildungszentrum der IHK Ostthüringen zu Gera Unternehmensvertreter*innen des „Ausschusses für Bildung und Fachkräfte“ zur aktuellen Situation im Thüringer Übergangssystem. Auf Basis des im Dezember 2023 veröffentlichten Berichts der Jugendberufshilfe wurden erneut aktuelle Trends diskutiert, die sowohl der Chancengleichheit junger Menschen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt als auch einer breiten Fachkräftegewinnung, insbesondere auch unter Nutzung endogener Potenziale, entgegenstehen. Große Herausforderungen sieht Jugendberufshilfe Thüringen e.V. v.a. in der Senkung der Zahl der Schulabgänger*innen ohne Abschluss, in einer stärkeren Berufsorientierung/ -beratung an den Wahlschulformen der Berufsbildenden Schulen sowie in der abschlussbezogenen Nachqualifizierung 20.000 junger Thüringer ohne Berufsabschluss. Die Ausschussmitglieder sprachen sich in der Diskussion nicht nur für eine stärkeres Engagement des Förderinstrumentes „AsA flex“ (Bekanntheitsgrad, Zugänge) sondern auch für eine längst überfällige Debatte zu Chancen und Risiken von Angeboten der beruflichen Nachqualifizierung aus. Jugendberufshilfe Thüringen e.V. bringt die – von Wirtschaftsvertreter*innen geteilten Befunde – in die Erarbeitung einer neuen Strategie der Thüringer Fachkräfteallianz ein.
Einmal in der Legislaturperiode erstellt die Landesregierung einen Bericht zu Lebenslagen junger Menschen in Thüringen. Darin enthalten sind auch Handlungsempfehlungen an die Kinder- und Jugendhilfe und ihre angrenzenden Politikfelder, die das Aufwachsen junger Menschen im Freistaat Thüringen betreffen. Unter dem Punkt „Handlungsempfehlungen aus Sicht der Landesregierung, die sich aus den vorliegenden Daten ableiten lassen“ wurden u.a. vier Handlungsziele zur „Stärkung der Belange junger Careleaver“ verankert (Seiten 33-34), nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Arbeit des Careleaver-Zentrums Thüringen.
Am 19. September 2024 kamen in Erfurt 170 Fachkräfte, u.a. Expertinnen und Experten der Kinder- und Jugendhilfe, der Gesundheitshilfe und der Eingliederungshilfe sowie Lehrkräfte und (jugend)politische Akteurinnen und Akteure zur Vorstellung und Diskussion des Berichtes zusammen. Wir – Jugendberufshilfe Thüringen und Careleaver-Zentrum Thüringen – waren gemeinsam mit drei jungen Careleaver*innen dabei. Emily und Justin haben die Gelegenheit genutzt, sich im Podiumsgespräch zu den Handlungsempfehlungen zu äußern. Wir sind so stolz!!!!!
Am 16.09.2024 wurde der Referentenentwurf zum Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz (IKJHG) sowie eine Synopse veröffentlicht. Das IKJHG bringt zum 01.01.2028 tiefgreifende Veränderungen im SGB VIII mit sich.
Mit dem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus kofinanzierten Bundesprogramm „JUGEND STÄRKEN: Brücken in die Eigenständigkeit“ stärkt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) junge Menschen, in prekären Lebenslagen (wie z.B. Wohnungsnotlagen), ihr Leben selbständig in die Hand zu nehmen.
Im Rahmen der Förderung sollen junge Menschen, die die stationäre Jugendhilfe verlassen (sogenannte „Care Leaver“) sowie entkoppelte junge Menschen individuell über Institutionsgrenzen und Rechtskreise hinweg begleitet und bei einer stabilen Lebensführung und in gesicherten Wohnverhältnissen unterstützt werden (Case Management). Mithilfe lokaler und / oder regionaler Unterstützungsnetzwerke sowie individueller Unterstützungsleistungen sollen junge Menschen ressourcenorientiert und effizient zu einer eigenständigen Lebensführung befähigt und / oder in stabilen Wohnverhältnissen untergebracht werden. Dazu sollen zum einen die individuelle Lebenssituation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und die sich daraus ergebenden, individuellen Bedarfe eruiert und zum anderen die Betroffenen an die bestehenden Regelstrukturen herangeführt werden.
Folgende Bausteine werden angeboten:
Das Modellprogramm läuft bis zum 31.12.2027.
Antragsberechtigt für das ESF Plus-Bundesprogramm „JUGEND STÄRKEN: Brücken in die Eigenständigkeit“ sind die öffentlichen Träger der örtlichen Jugendhilfe (Jugendämter), die das Programm planen, steuern und koordinieren. Dabei arbeiten sie eng mit freien Jugendhilfeträgern, Jobcentern, Agenturen für Arbeit und weiteren Kooperationspartnern zusammen. Die Interessenbekundungen von Trägern müssen fristgerecht bis 08.10.2024 elektronisch über das Förderportal Z-EU-S eingehen.
Weitere Informationen zum Projekt, der Umsetzung und zur wissenschaftlichen Begleitung erhalten Sie hier:
http://www.jugend-staerken.de
www.beratungsforum-jugend.de
Wir (CLZT und CLiK-Careleaver im Kyffhäuserkreis) beraten gern.